Es ist Herbst 2014, als sich die ersten Ideen für mein 2015er Adventuredahoam in meinem Kopf heraus kristallisieren. Bald ist klar: Ich will die drei höchsten Berge Deutschlands besteigen und die Distanz dazwischen nur mit dem Mountainbike zurücklegen. Das Projekt #3RIESEN war geboren.

Doch wie heißt eigentlich nach Zugspitze und Watzmann der Dritte im Bunde? Die Recherche zeigt: Wenn man sich auf „echte Berge“ konzentriert, also deren ausreichende Schartenhöhe zum Nachbarn berücksichtigt, so ist es der – na hättest Du´s gewusst? – Hochwanner. Und noch eine Überraschung: Er ist nicht etwa der dritt-, sondern mit 2.744 Metern sogar der zweithöchste Berg Deutschlands. Nur zwei Kilometer Luftlinie vom Zugspitzgipfel im Wetterstein gelegen, blickt er ungerührt und still zu den Menschenmassen am „Everest der Deutschen“ hinüber.

Still im wahrsten Sinne des Wortes. Denn man muss schon etwas Glück haben, erfahre ich bei der Recherche, wenn man überhaupt auf seinen Gipfel findet. Geschweige denn, dabei einem Gesinnungsgenossen begegnet. Der Hochwanner ist nicht ausgeschildert.

Anders als Watzmann & Co.

So viel Prominenz und kein einziges Wegweiserschild? Nicht, dass mich dieser Rest an Wildheit so unmittelbar vor der eigenen Haustüre stören würde. Ganz im Gegenteil. Aber komisch ist es schon. Bis mir neulich auf dem Steinernen Hüttl, unweit des Hochwanners, im Gemurmel der abendlich versammelten Wanderer eine mögliche Erklärung begegnete: Die Tiroler sind‘s, die „unseren Zweiten“ missachten. Im Überfluss ähnlich hoher Berge und Gipfel, haben sie es schlicht nicht nötig ihn auszuschildern. Noch dazu, wo er mit seiner bröseligen Steilheit nicht wirklich zu einem Gipfelbesuch einlädt. Und von Deutschland aus ist der Aufstieg durch seine furchterregende Nordwand nur den besten Kletterern vorbehalten. Kein Wunder also, dass ihn hierzulande – anders als Watzmann und Co. – keiner kennt.

Was also würde mich erwarten? Ich erinnere mich noch gut an die leichte Nervosität, als ich im Rahmen von #3RIESEN im Sommer 2015 zum ersten Mal an seinen Flanken emporstieg. Nur begleitet von der Sonne, ein paar Kolkraben und dem endlosen Lied der Erosion – dem Knacken und Rieseln der Steine allerorten. Andere Menschen? Fehlanzeige.

Hinzu kam, dass ich in den Vorbereitungen immer wieder auf die Erwähnung einer Art „Schlüsselstelle“ gestoßen war. Ein wohl schrofiger, etwa 20 Meter hoher Kamin, dessen Schwierigkeit – wie das im Internet so ist – vom einen belächelt, vom anderen eher gefürchtet wurde. Wie würde es für mich nun sein?

Es sind diese und ähnliche Momente der Spannung, die seither immer wieder in mir aufsteigen, wenn ich an diesen Berg denke und für mich somit seinen außergewöhnlichen Charakter definieren. Ihn zu etwas besonderem, ja zu „dem Geheimnisvollen“ machen. Und ihn damit aus den anderen, bestens erschlossenen Großen klar emporheben. Denn am Hochwanner begleitet einen stets so etwas wie Erstbesteigerfeeling – ein selten gewordenes Gut im alpinen Schilderwald. Geht es nun hier entlang, oder doch dort? Stehe ich noch auf dem „Weg“, oder folge ich schon einem Irrweg? Gibt es oben überhaupt noch einen Pfad, oder muss ich mir selbst weiterhelfen? Und schließlich die Frage, ob der Nebel im nebenliegenden Zugspitztal es auch bis hierher schaffen wird, um der totalen Einsamkeit noch eins drauf zu setzen.

Wirklich gefährlich allerdings, bleibt zu betonen, wird es für Aufmerksame dabei nie. „Unten“ ist man mit etwas Gas durch die allgegenwärtigen, abschüssigen Kiesbahnen ziemlich rasch. Wobei die darunter gelegenen Felsabstürze natürlich stets im Blick behalten werden sollten. Der Kamin mit seinen munter vor sich hin bröckelnden Tritt- und Haltestellen, kann einem je nach Tagesform hingegen durchaus etwas Respekt einflößen. Gut zu wissen, dass es eine Umgehung gibt, die ich nach der dritten Besteigung mittlerweile per Zufall entdeckt habe. Sie führt links um den Kamin herum. Einfach den rostfarbenen Spuren folgen. Wenn sie noch da sind.

Augsburg

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