Die Natur soll an den Lech zurück, um Probleme wie die zunehmende Eintiefung und abnehmende ökologische Wertigkeit des Flusses in den Griff zu bekommen. Wie das zwischen der Staustufe 23 (südlich von Augsburg) und der Mündung in die Donau gehen soll, erklärte mir Simone Winter, Leiterin des Lech-Renaturierungsprojekts „Licca Liber“.

„Kaum zu glauben, aber die Menschen vor nicht einmal hundert Jahren waren stolz, als sie den Lech endlich gebändigt, begradigt und in die Tiefe der Landschaft verbannt hatten. Er hatte mit seiner Wildheit wohl einfach zu viel Leid über die Generationen vor ihnen gebracht. Heute sehen wir das natürlich anders“ erzählt Simone Winter und blickt mit mir in die rauschenden Fluten des Lech unweit des Hochablass, einem wichtigen Stauwehr nahe Augsburg.

Winter hält ein farbiges Luftbild des Flusses im Bereich des Augsburger Stadtwaldes in die Höhe. „Sehen Sie diese hellen Schlieren?“ fragt die Baurätin am Wasserwirtschaftsamt Donauwörth und deutet auf ein paar Stellen mitten im grünen Wasser des glitzernden Flussbetts. „Das ist der so genannte Flinz. Er liegt unter dem Kies und ist eine sandige Bodenschicht, die leichter und damit schneller vom Lech erodiert werden kann. Dass man ihn hier bereits sieht, ist kein gutes Zeichen. Denn es bedeutet schlichtweg, dass der Lech sich schon bis hierher eingegraben hat.“

Licca Liber: Die Maßnahmen im Überblick (Click)

Die zunehmende Eintiefung des Lech ist ein ernstes Problem. Verzweigte der drittgrößte Fluss Bayerns früher auf einer Breite von bis zu zwei Kilometern, so misst er heute aufgrund der zahlreichen Verbauungen von Ufer zu Ufer nur noch 85 Meter und ist nahezu kurvenlos. Die Folge kennt jeder Bergwanderer, der schon einmal senkrecht ins Tal abgekürzt hat, statt den Serpentinen seines Pfades zu folgen: Das Tempo steigt. Da ergeht es dem Lech nicht anders. Zwar überwindet er auf seinem Weg von den Alpen bis in die Donau weiterhin dasselbe Gefälle wie früher – durch die Begradigung allerdings nur noch auf einem Bruchteil der früheren Fließstrecke. In der Folge schaben seine immer schneller werdenden Wassermassen das Flussbett so stark aus, dass sich der komplette Fluss immer weiter in die Flusssohle gräbt und dabei das umliegende Grundwasser mit in die Tiefe nimmt.

Stromschnellen statt Sohlschwellen

„Wenn das so weiter geht, kommt es zu einem Sohldurchbruch. Dann fallen wertvolle Auwälder trocken, die Grundwasserstände sinken und einige Gemeinden kommen nicht mehr an ihr Trinkwasser. Außerdem müssen dann sämtliche Bauwerke am Fluss wie etwa Brücken neu berechnet werden, weil sie statisch auf einen ganz anderen Grundwasserstand ausgelegt sind“, informiert Winter und ergänzt: „Deshalb gibt es zu Licca Liber eigentlich keine Alternative. An der Wertach gab es vor der Renaturierung auf Grund der beschriebenen Dynamik ja bereits einen Brückeneinsturz.“

Ein weiteres Problem: Durch die zahlreichen Querverbauungen hat der Lech sein für einen Alpenfluss so typisches Geschiebe – mitgeführtes, zerriebenes Berggestein – verloren. Dadurch wird, anders als früher, die leergefegte Flussrinne mit nichts mehr aufgefüllt. Die Planer von Licca Liber reagieren darauf unter anderen mit künstlichen Geschiebebeigaben – etwa nördlich der Lechstaustufe 23, wo man große Kiesberge am Ufer aufgehäuft hat, an denen sich der Lech „bedienen“ kann. Zudem sollen die erwähnten Querverbauungen sukzessive soweit möglich verschwinden und ihr bis zu sechs Meter hohes Gefälle mit naturnahen Treppen aus Gewässersteinen abgebaut werden. „Die bereits vorhandenen sechs Stützbauwerke im Lech haben den Prozess der Eintiefung nicht vollständig gestoppt.“, erklärt Winter. „Nicht nur unterhalb der Bauwerke im Bereich des Stadtwalds gräbt sich der Lech aktuell weiterhin ein, auch innerhalb der Stadt Augsburg sind Bereiche betroffen.“

Was am Lech noch die wasserfallartigen Sohlschwellen,…

… das sind an der renaturierten Wertach bereits die Stromschnellen – Treppen aus Gewässersteinen.

Aber noch ein weiterer Grund zwingt Winter und die Flussverantwortlichen zum Handeln: Die so genannte Wasserrahmenrichtlinie der EU. Sie bewertet die ökologische Qualität eines Gewässers anhand der Zusammensetzung und Häufigkeit der Gewässerorganismen. „Da schneidet unser Fluss hier leider nur recht mittelmäßig ab“, deutet Winter in die Gischt über dem Wehr. „Wir müssen handeln und Flüsse wie den Lech wieder in einen guten ökologischen Zustand bringen.“

Die Rede ist an dieser Stelle von der Durchgängigkeit für flussaufwärts wandernde Fische und stromabwärts treibendes Geschiebe ebenso, wie vom Schutz des so wertvollen Bannwaldes, oder einem Wiederzulassen der vormals so typischen Verzweigungsdynamik auf bis zu 600 Metern Breite, bei der z. B. neue Kiesbänke und somit Microhabitate im Lech entstehen werden. Winter: „Eine solche Gewässerbettaufweitung des Lechs hat natürlich einen doppelten Nutzen. Sie reduziert die Eintiefung des Flusses durch eine Verringerung des Wasserspiegels, vermindert die Strömungs- und damit Erosionskraft des Wassers und macht den Flusslauf wieder ökologisch attraktiv.“ Auch sollen sogenannte „Sekundärauen“ geschaffen werden, als Ausgleich für bereits trocken gefallene Auwaldgebiete.

Schritt für Schritt zur „gestalteten Wildnis“

Wertach: Eine angelegte Sekundäraue. Der steile Uferbereich wird abgeflacht. So ist das auch am Lech geplant.

Künstliche Geschiebebeigaben (heller Kiesberg hinten), nördlich der Lechstaustufe 23. Rechts: Eine angelegte Fischtreppe für mehr Durchgängigkeit am Stauwehr.

Simone Winter zeigt, wie wild der Lech sich früher in seinem Tal verzweigte.

„Schwäne sind Seevögel. Doch so schön sie auch sind: Eigentlich gehören sie nicht wirklich an den Lech“, sagt Winter.

Nicht zuletzt liegt Winter mit ihren Renaturierungsbemühungen am Lech aber auch der natürliche Hochwasserschutz am Herzen: „Die Jahre 1999 und  2005 mit ihren für uns Menschen so verheerenden Hochwasserschäden dürfen sich nicht wiederholen“, fordert sie. So sollen Deichsysteme verlegt werden, um,  natürliche Rückhalteräume im Augsburger Stadtwald aber auch auf der östlichen Seite des Lechs zu schaffen.

„All diese Eingriffe müssen natürlich schrittweise, gut abgestimmt und geplant von statten gehen, weil in unseren heute dicht besiedelten Räumen eine Rückkehr zur absoluten Wildnis einfach nicht mehr möglich ist“, schränkt Winter ein und ergänzt: „Aber genau für diesen Prozess – ein regelrechtes Generationenprojekt – bieten wir mit Licca Liber ja den geeigneten Informations-, Austausch- und Verhandlungsrahmen.“

Die ersten konkreten Schritte in Richtung „gestalteter Wildnis“ werden nach einem Durchlaufen des üblichen Genehmigungsverfahrens bereits in den nächsten Jahren gestartet. „Die Leute“, lacht Winter, „sollen ja nicht das Gefühl haben, sie würden das Ende des Projekts nicht mehr erleben.“

Übrigens: Im Sommer bin ich per Bike, Boot und Hike von der Quelle des Lech bis nach Augsburg unterwegs. Mehr zu meinem Projekt #LICCA17 findet Ihr hier: LINK

Buch-Gewinnspiel: Der Lech im Gebirge

Wie sieht der Lech aus und was hat er „erlebt“, bevor er bei Füssen aus dem Tiroler Lechtal nach Deutschland über die Grenze fließt? Warum wird er der „letzte Wildfluss der Alpen“ genannt?

Die Antwort findet Ihr im Buch „Der Lech im Gebirge“ von Peter Nasemann aus dem Bauer Verlag. Wenn Ihr es gewinnen wollt, kommentiert dazu einfach diesen Blogpost (Ihr könnt z. B. berichten, wie Ihr den Lech oder „Euren“ Fluss vor der Haustür erlebt) oder teilt die entsprechenden Posts auf meinen Social Media Kanälen mit Euren Freunden und Followern.

Viel Glück!

Das Gewinnspiel ist beendet. Gewonnen hat Horst Gassner aus Österreich – herzlichen Glückwunsch!

Eine Bemerkung noch: Beim Löschen einer Spam-Attacke sind mir leider die hier von Euch zum Gewinnspiel geposteten Kommentare flöten gegangen. Aber keine Angst: Das ist zum Glück NACH der Verlosungsauswahl geschehen. Sorry!

Teilnahmebedingungen

Titel: Der Lech im Gebirge
Autor: Peter Nasemann
EAN: 9783955510091
Zahlreiche Abbildungen und Fotos, zusätzliche Panoramakarte,
gebunden – 176 Seiten
Bauer-Verlag GmbH
€ 29,00 [D]

Bestellen: LINK